Ernst genommen von Anfang an
Bedürfnisorientiert durch das erste Babyjahr
Auf einmal ist es einfach da – dein kleines Wunder. Die Zeit der Schwangerschaft ist im Nachhinein wie im Flug vergangen. Das liebevoll eingerichtete Zimmer wird nun endlich mit Leben gefüllt. Und gemeinsam mit den Gratulanten kommen auch die vielen gut gemeinten Ratschläge. “Du kannst doch nicht jedes Mal stillen, wenn dein Baby das möchte. Da hat es dich ja gleich im Griff.” oder “Lass es doch ruhig einmal schreien. Das ist gut für die Lunge.” Schon der Gedanke daran, mein wenige Tage altes Baby verzweifelt sich selbst zu überlassen, machte mich unglaublich traurig. Warum sind wir verglichen mit anderen Kulturen so hart zu unseren Babys und Kleinkindern? Was bedeutet “bedürfnisorientiert” im Umgang mit einem Baby?
Ideale vergangener Zeiten
Hast du dich auch schon einmal gefragt, woher diese gut gemeinten Ratschläge kommen? Sie stammen noch aus einer Zeit, in der bereits Kinder lernen sollten einfach nur zu funktionieren. Der heute noch vielen bekannte Bestseller “Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind” erklärte seit 1934 für lange Zeit frisch gebackenen Mamas wie sie ihre Kinder erziehen sollten. Die Autorin Johanna Haarer hatte keine pädagogische Ausbildung, war dafür aber Mitglied der NSDAP. Babys sollten nach ihrer Lehre von der ersten Minute nach der Geburt an abgehärtet und auf keinen Fall verweichlicht werden. Bedürfnisorientiert auf ein Baby oder Kind einzugehen wurde von ihr hingegen streng verurteilt. Eine innige Beziehung zwischen Eltern und Kind sollte nach Möglichkeit erst gar nicht entstehen. Schließlich sollten sie sich auch später nicht von Emotionen leiten lassen sondern Anweisungen befolgen ohne sie zu hinterfragen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dieses Buch zwar verboten, jedoch leicht geändert unter dem Titel “Die Mutter und ihr erstes Kind” erneut herausgegeben.
Noch ganz neu auf dieser Welt
Inzwischen wissen wir, dass unsere Babys unreif geboren werden. Gerade in den ersten Wochen bis zum Erlangen der körperlichen Reife benötigen sie daher unsere volle Aufmerksamkeit. Ein Baby ist noch nicht dazu in der Lage zu manipulieren. Sofortige Bedürfnisbefriedigung ist das, was unsere Minis aus ihrer geschützten Umgebung in unserem Bauch gewohnt sind und was sie so dringend benötigen.
In der frühen Kindheit, also den ersten drei Jahren, machen unsere Babys die größte Entwicklung durch. Kommt dein kleines Wunder auf die Welt, kann es diese noch nicht verstehen. Es fühlt sich unwohl und weiß nicht, dass es zum ersten Mal Hunger verspürt oder was dagegen hilft. Es wird nun nach und nach lernen seine Gefühle wahrzunehmen und zuzuordnen. In dieser Zeit gilt es das sogenannte Urvertrauen aufzubauen. Die schnelle und zuverlässige Befriedigung aller Bedürfnisse eines Babys stärkt dieses Urvertrauen. Das wiederum macht es unseren Kindern einfacher mit uns zu kooperieren. Es gibt ihnen die Sicherheit ein wichtiger Teil der Familie zu sein der gehört wird und dessen Bedürfnisse beachtet werden.
Erst ab dem ersten Geburtstag kann ein Baby langsam lernen sich selbst zu beruhigen. Natürlich ist es trotzdem noch auf die Befriedigung der Bedürfnisse angewiesen. Jedoch muss dies dann nicht mehr immer sofort geschehen. Jedes Kind hat allerdings auch hier sein eigenes Tempo.
Bedürfnisse unserer Babys
Nahrung, Hygiene, Schlaf und Wärme sind die elementaren Bedürfnisse eines Babys in seinen ersten Lebenstagen. Neben diesen körperlichen Bedürfnissen benötigen sie Nähe, Liebe und Schutz. Babys sind darauf angewiesen, dass wir mit ihnen kommunizieren und eine tiefe vertrauensvolle Bindung aufbauen. Von Tag zu Tag werden daneben eigene entwicklungsgerechte Erfahrungen, Grenzen und Strukturen an denen sie sich orientieren können immer wichtiger.
Bedürfnisorientiert mit deinem Baby durch die Nacht
Jede Mama weiß, wie anstrengend die Nächte mit einem Baby sein können. Trotzdem ist es gerade in der Nacht wichtig, unseren Minis die Sicherheit zu geben, dass wir sie jederzeit beschützen. Die Sicherheit, dass wir auch in der Nacht bedürfnisorientiert auf unser Baby eingehen, lässt es leichter wieder in den Schlaf finden.
Grausame Schlaftrainings in denen ein weinendes Babys sich selbst überlassen wird können jedes Vertrauen in die Bezugspersonen zerstören. Die Situation bedeutet für den kleinen Körper darüber hinaus einen unglaublichen Stress. Andauernder Stress kann schwerwiegende Folgen haben. Er schwächt nicht nur das Immunsystem sondern kann auch das Wachstum und die Lernfähigkeit beeinträchtigen und bis hin zu Angststörungen und Depressionen führen. Selbst wenn du gerade deinem Baby nicht helfen kannst, so macht es einen großen Unterschied das Weinen zu begleiten. Das sogenannte “Kuschelhormon” Oxytocin senkt hilft dabei Stresshormone schneller wieder abzubauen.
Füttern nach Bedarf
Strickte Zeitpläne zum Füttern waren noch vor wenigen Jahren ganz normal. Stillen nach Bedarf hingegen bedeutet das Baby dann anzulegen bzw. das Fläschchen zu geben wenn es Hunger hat. Auch die Menge bestimmt das Baby hier selbst. So werden nicht nur die Bedürfnisse des Babys berücksichtigt sondern auch die Milchmenge passt sich automatisch an diese an.
Und plötzlich ist es dann auch schon Zeit für Beikost oder eher doch noch nicht? Auch hier ist wieder jedes Baby ganz individuell. Es gibt jedoch sogenannte Beikostreifezeichen auf die du ca. ab dem 6. Lebensmonat achten kannst:
- Der Zungenstoßreflex (Löffel wird automatisch aus dem Mund geschoben) ist verschwunden
- Das Baby kann (mit Unterstützung) sicher aufrecht sitzen
- Dein Mini kann selbständig Dinge greifen und in den Mund stecken
Dein Baby bedürfnisorientiert pflegen
Ein weiteres Grundbedürfnisse deines Babys ist Hygiene bzw. Sauberkeit. Klingt doch eigentlich ganz einfach, oder? Leider löst das Einlassen des Badewassers oder auch das Auspacken der Zahnbürste nicht bei jedem Mini Begeisterung aus. Wenn der Gang ins Bad auch für dein kleines Wunder eher keine Luftsprünge auslöst, dann schaue doch gerne auch einmal in meinem Artikel “Tränen im Badezimmer – Baden und Zähne putzen als Herausforderung”.
Achtsamkeit am Wickeltisch
Kleine Wickelmonster bändigen
- Bereite dein Baby auf das Wickeln vor. Kündige 5 – 10 Minuten vorher an, dass du gleich gerne die Windel wechseln würdest. Achte darauf, dass du wirklich wahrgenommen wirst. Denn Störgeräusche ausblenden können unsere Kleinsten ganz wunderbar. Suche also Augenkontakt, sprich langsam und deutlich.
- Lege vorher alles bereit, was du benötigen wirst. So strapazierst du die Geduld deines kleinen Wunders nicht unnötig und schonst damit letztlich auch deine Nerven.
- Nimm dir Zeit. Bist du gestresst, merkt das auch dein Baby. Es reagiert entsprechend und damit dauert es am Ende nur noch länger mit dem Wickeln.
- Ablenkung ja, aber nur für dein Baby. Ein Lieblingsspielzeug oder Buch kann – zumindest manchmal – gerade lange genug für Ablenkung sorgen. Vermeide aber, dass du abgelenkt bist. Lasse daher dein Handy am Besten in einem anderen Raum und konzentriere dich voll und ganz auf dein Baby.
- Fördere die Selbstständigkeit. Dein Baby möchte von Anfang an lernen. Ermutige es hierzu und hilf immer nur so viel mit, wie nötig. Schon früh kann dein Baby z. B. etwas für dich halten und dir dann anreichen, sich zur Seite bewegen oder – je nach Verschluss – die Windel öffnen.
- Ruhig und gelassen zu bleiben ist doch so manches Mal nicht ganz einfach. Jede Mama weiß wahrscheinlich, was eine Socke auslösen kann, die nicht über den Fuß passen möchte. Es nützt aber weder dir noch deinem kleinen Wickelmonster, wenn du die Geduld verlierst. Aber was wenn gerade einfach alles zu viel ist und es mit der Gelassenheit so gar nicht klappen will? Dann hilft mein Tipp (*Werbung*) vielleicht auch dir.
Bedürfnisorientiert durch den Alltag mit Baby
Jedes Kind hat vom ersten Tag an seine eigene Persönlichkeit und damit auch ganz individuelle Bedürfnisse. Stehen diese unseren Bedürfnissen entgegen, stellt sich die Frage, wie wir als Erwachsene damit nun umgehen. Das Wichtigste ist es immer zu versuchen Ruhe zu bewahren, unsere Kinder ernst zu nehmen und ihnen gewaltfrei zu begegnen.
Alle Gefühle sind erlaubt und können nicht falsch sein. Stell dir vor, dein Baby hat sich gerade weh getan und weint. Rutscht dir dann ein “Ist doch nicht so schlimm” heraus? Die Gefühle unserer Kinder immer ernst zu nehmen hilft ihnen zu starken und selbstsicheren Menschen heranzuwachsen.
Wie oft entscheiden wir über den Kopf unserer Kinder hinweg? Ist dein Mini gerade mitten im Spiel wenn du den Spielplatz verlassen möchtest, wird das wahrscheinlich nicht ohne Widerstand funktionieren. Probiere doch einmal dein Baby rechtzeitig darauf vorzubereiten, dass du gleich nach Hause gehen möchtest. Unsere Minis verstehen schon viel früher als wir manchmal denken was und vor allem wie wir es sagen. Selbst wenn dein Baby aber tatsächlich noch zu klein ist um zu verstehen was du sagst, fühlt es sich dennoch beachtet und wahrgenommen.
Bedürfnisorientiert eine Ja-Umgebung für dein Baby schaffen
Unsere Kleinsten stoßen im Alltag auf zahlreiche Grenzen, die sie regelmäßig verzweifeln lassen. Du kannst für ganz viel Entspannung in deiner Familie sorgen, wenn du eine “Ja-Umgebung” schaffst. Natürlich kannst du tagtäglich mit deinem Mini üben die teure Vase nicht umzuwerfen. Einfacher wäre es aber wohl für euch beide, wenn du ihr einen neuen Platz suchst. Auch einige Sicherheitsmaßnahmen helfen dabei eine positive “Ja-Umgebung” zu schaffen. Weniger “Nein” bedeutet für alle Familienmitglieder weniger Frust, Tränen und Wut.
Kinderfreundliches Zuhause
Was am Ende zählt
Was ist richtig und was falsch? Meiner Meinung nach sollten wir als Mama wieder lernen mehr auf unser eigenes Gefühl zu vertrauen, egal was andere sagen. Denn was ist größer als dein Herz als Mama?
Wir müssen auch nicht immer perfekt sein. Unsere Babys, Kleinkinder und Kinder brauchen keine perfekte Mama. Du bist die einzige Mama, die dein Baby als Begleitung auf seinem Weg benötigt. Und zwar mit all deiner Liebe und genauso vielen Fehlern. Einfach perfekt unperfekt.
“Frau Mama”
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